Daisy Gilardini
Daisy Gilardini stammt ursprünglich aus Lugano, Tessin, und lebt heute in British Columbia, Kanada. Das Fotografieren wurde für sie zu einer ernsthaften Tätigkeit, als sie 1989 zum ersten Mal Indien besuchte. Seitdem hat sie mehr als 70 Länder mit der Kamera bereist. Als sie sich nach ihrem ersten Aufenthalt in der Antarktis im Jahre 1997 in den Kontinent verliebte, hat sie die meiste Zeit damit verbracht, in den Polarregionen zu fotografieren. Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sie an über 60 Expeditionen in die Arktis und Antarktis teilgenommen, meistens auf Forschungsschiffen oder Eisbrechern. 2006 schloss sie sich einer russischen Nordpolexpedition auf Skiern an.
Daisys
Fotografien werden von international führenden Zeitschriften und
Gesellschaften wie National Geographic, Smithsonian, BBC Wildlife,
Nature’s Best, Audubon, The Telegraph, Outdoor Photography, Greenpeace
oder dem World Wildlife Fund veröffentlicht. Ihre Arbeiten wurden mit
den renommiertesten Preisen internationaler Fotowettbewerbe
ausgezeichnet, unter anderem mit dem BBC Wildlife Photographer of the
Year, Travel Photography of the Year, Nature’s Best und vielen anderen.
Im April 2010 wurde Daisy die Ehre zuteil, der Jury des BBC Wildlife
Photographer of the Year beizusitzen, dem «Oscar» unter den
Naturfotowettbewerben. Sie ist u. a. Mitglied der iLCP, der
International League of Conservation Photographers, Mitglied des
berühmten Explorer Clubs und Nikon Schweiz Ambassador.
Wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Als
Kind wuchs ich mit dem Wunsch auf, Tierärztin zu werden, weil ich die
Natur und Tiere liebte. Aber wie so oft verläuft das Leben nicht nach
Plan und ich wurde eine Schweizer zertifizierte Expertin für Rechnungs-
und Finanzwesen. Nach meinem Universitätsabschluss als Master eröffnete
ich eine Steuerberatungsfirma . Mithilfe eines guten Businessplans und
meines Organisationstalents ist es mir dann gelungen, meine Liebe zum
Reisen, zur Natur und Fotografie mit meinen täglichen beruflichen
Verpflichtungen zu vereinbaren. Schon bald begann ich damit, eigene
Fotoprojekte in Angriff zu nehmen. So stellte ich eine Assistenz für
mein Steuerberatungsbüro ein, denn ich war mehrere Monate im Jahr
unterwegs. Doch jedes Mal, wenn ich ins Büro zurückkehrte, fühlte ich
mich bedrückt und unzufrieden. So schrieb ich Artikel und suchte nach
Magazinen, die sie veröffentlichten. Es war beinahe so, als hätte ich
zwei Vollzeitstellen. Mein Arbeitstag begann um 7 Uhr morgens und endete
um Mitternacht, und das sieben Tage in der Woche. Der Glaube an die
eigene Arbeit, Geduld, Leidenschaft und Beharrlichkeit sind die
Schlüssel zum Erfolg. Letzten Endes wurde meine Arbeit publiziert und im
Jahr 2006 wurde ich Vollzeit-Fotografin.
Was fasziniert Dich an der Wildlife-Fotografie?
Meine
Liebe für wild lebende Tiere begann schon vor langer Zeit … Ich war
erst vier Jahre alt, als ich von meinem Taufpaten einen kleinen
Robbenwelpen als Kuscheltier bekam. Meine Mutter erklärte mir, dass der
Robbenwelpe aus einem sehr kalten Land stammte und auf und unter dem
Polareis lebte. Diese Geschichte faszinierte mich. Damals begann ich
davon zu träumen, eines Tages diese Tiere in ihrem natürlichen
Lebensraum zu besuchen. Ich habe sieben Jahre dafür gebraucht, das Geld
für eine Reise in die Antarktis zu sparen. Doch diese Reise stellte mein
Leben komplett auf den Kopf! Ich erinnere mich noch, wie ich zum ersten
Mal auf Half Moon Island in den Südlichen Shetlandinseln ankam. Ich
hatte einen Kloss im Hals und zitterte vor Rührung, weil mich Hunderte
von Zügelpinguinen umringten. An jenem Tag war ich kaum in der Lage zu
fotografieren und die wenigen Bilder, die ich machte, waren alle
verwackelt, weil ich so gezittert hatte.
Oft habe ich versucht,
die unwiderstehliche Anziehungskraft, die die Polargebiete auf mich
ausüben, zu verstehen. Beinahe möchte ich sie mit Sucht oder
Besessenheit bezeichnen. Diese extremen Abenteuer reissen mich aus
meiner normalen Alltagswelt heraus und schicken mich auf eine
Entdeckungsreise zu meinem Ich. Die Isolation von der modernen
Zivilisation und all den Ablenkungen, die sie mit sich bringt, lehren
mich, den einfachen Rhythmus der Natur zu schätzen und mich wieder
darauf einzulassen. Die heilenden Gefühle der Wiederentdeckung einer
urtümlichen Verbundenheit zur Natur und die Wechselwirkungen zwischen
den Spezies auf unserer Erde rufen tiefen Respekt und ein Bewusstsein
für dieses zerbrechliche Ökosystem hervor. Meine Passion für unsere
Natur hat sich zu der lebenslangen Aufgabe entwickelt, die Botschaft vom
Umweltschutz zu verbreiten, Respekt zu wecken und unseren
zerbrechlichen Planeten zu erhalten. Dies ist extrem aufregend und
erfüllend und gibt dem Leben einen Sinn.
Was möchtest Du mit Deinen Bildern „aussagen“?
Ich
bin Mitglied der International League of Conservation Photographers,
einer gemeinnützigen Gesellschaft, deren Mission es ist, den Erhalt von
Umwelt und Kulturen mithilfe ethischer Fotografie zu fördern.
Beeindruckende Fotografien stellen eine mächtige Triebkraft für den
Umweltschutz dar, insbesondere wenn Wissenschaftler und
Entscheidungsträger daran mitwirken. Wenn die Menschheit überleben und
sich mit unserem Planeten gemeinsam weiterentwickeln will, müssen wir
verantwortungsbewusst handeln und mit Demut anerkennen, dass die Natur
nicht von uns, wir aber von der Natur abhängig sind. Als
Umweltfotografen ist es unsere Aufgabe, mit der universellen Kraft
unserer Bilder die Schönheit der gefährdeten Orte und Spezies
festzuhalten und ein Bewusstsein für sie zu wecken. Während die
Naturwissenschaft die Daten liefert, um die Probleme zu erklären und
Lösungen vorzuschlagen, visualisiert die Fotografie die Probleme mit
ihren Bildern. Die Naturwissenschaft ist das Gehirn, während die
Fotografie das Herz ist. Denn wir müssen die Herzen und Gefühle der
Menschen erreichen, um sie zum Handeln zu bewegen, für die Natur und für
uns alle.
Was war Deine bisher grösste Herausforderung als Fotografin?
Da
ich eine auf die Polargebiete spezialisierte Wildlife-Fotografin bin,
haben die Herausforderungen meistens etwas mit den extremen
Umweltbedingungen zu tun, denen ich ausgesetzt bin. Die Kälte stellt
eine Herausforderung für die Ausrüstung und den Körper dar. Wenn Du Dich
nicht wohl fühlst, kannst Du Dich nicht auf die Aufgabe konzentrieren.
Als ich 2009 den Auftrag hatte, eine Nordpol-Expedition auf Skiern zu
dokumentieren, bekam ich eine Unterkühlung und musste mit dem
Hubschrauber zum Camp zurückgebracht werden. Das war eine äusserst
„interessante und erniedrigende“ Erfahrung, die mir eine Lektion war.
Ausser den Herausforderungen draussen haben die meisten Schwierigkeiten, mit denen sich ein Wildlife-Fotograf konfrontiert sieht, mit der geschäftlichen Seite des Berufs zu tun. Nie war der Markt gefährdeter als mit dem Aufkommen von Internet und Micro-Stock-Agenturen. Jeder sucht heute nach kostenlosen oder besonders billigen Bildern, ohne dabei Werte wie Integrität und Ethik der Fotografie in Betracht zu ziehen, die unglücklicherweise immer seltener werden. Wilde Tiere einzufangen oder anzulocken, um das «perfekte Foto» zu machen, ist traurigerweise zur üblichen Praxis geworden. In seltenen Fällen kann es aus Gründen des Umweltschutzes erforderlich sein, ein Tier gefangen zu nehmen, um es zu fotografieren. Dabei müssen jedoch strenge ethische Regeln, die das Wohlergehen des Tieres betreffen, beachtet und ein entsprechender Hinweis in den Bildinformationen festgehalten werden.
Und zuletzt
ist die digitale Manipulation von Bildern ein nicht minder brennendes
Problem, das die Authentizität eines jeden Fotos und die Integrität des
Fotografen in Frage stellen kann. Um diese Situation zu verbessern,
liegt es in unserer Verantwortung, unsere Bilder mit eindeutigen
Bildinformationen zu versehen, die eine Montage oder Veränderung des
Bildes spezifizieren. So lange man transparent und ehrlich mit seinen
Bildveränderungen ist, ist die digitale Bildbearbeitung ein grossartiges
kreatives Instrument und eine wunderbare Kunstform.
Hast Du ein Lieblingsreiseziel?
Mein
liebstes Reiseziel ist der kälteste, trockenste und windigste Kontinent
dieser Erde: die Antarktis. Meine Vorstellung von der Antarktis ist die
eines anderen Planeten auf unserem Planeten. Dort sieht es so aus, als
wäre nach der Schöpfung alles so geblieben, wie es ist. Alles ist in
Harmonie, unbefleckt und rein, vermutlich weil nie ein Mensch diesen
Kontinent besiedelt hat. Es ist einer der wenigen Plätze der Erde, wo
die Tiere keine Angst vor Dir haben, Pinguine auf Dich zukommen, um
Kontakt aufzunehmen, Robben mit Dir spielen wollen und Vögel nicht
fortfliegen. Es ist ein Ort des Friedens und der Wissenschaft, an dem
man nachdenken kann, ohne von der Aussenwelt abgelenkt zu werden. Kein
Fernsehen, kein Internet, kein Mobiltelefon. Für den Augenblick leben,
abgeschnitten sein von der Hysterie und Dramatik unserer «modernen»
Gesellschaft, Verbindung aufnehmen mit Mutter Natur und das Gefühl, Eins
zu sein mit dem Universum – das ist es, was mich Jahr für Jahr dorthin
zurückzieht.
Was macht Deine Fotografie so besonders?
Im
Laufe der Jahre habe ich eine eigene Sprache und meinen Stil gefunden.
Ich schaffe oder mache keine Bilder, vielmehr empfinde ich Demut bei der
Begegnung mit Mutter Natur und sehe mich eher in der Rolle ihres
Interpreten und Zeugen. Beim Fotografieren von Wildlife und Landschaft
konzentriere ich mich auf die Komposition. Letztlich ist mein Ziel,
Emotionen zu vermitteln, indem ich Formen vereinfache. Schlichtheit ist
das Zauberwort. Ich möchte zwei meiner Lieblingszitate hier anführen:
Einfachheit ist der erste Schritt der Natur und der letzte der Kunst. (Philip James Bailey)
Es gibt nichts, was so kompliziert wie das Einfache ist. (Charles Poore)
Woraus besteht Deine fotografische
Ausrüstung, was setzt Du am meisten ein und inwieweit hilft Dir die
Ausrüstung, Deine Bildideen umzusetzen?
Ich arbeite in einem
der anspruchsvollsten Lebensräume der Erde. Daher benötige ich ein
besonders sicheres und robustes Equipment, auf das ich mich verlassen
kann. Nikon hat mich niemals enttäuscht. Meine Ausrüstung besteht aus:
Nikon D4S:
Ich liebe meine D4S wegen ihrer Robustheit und der kurzen
Verschlusszeit, mit der ich superschnelle Action im entscheidenden
Moment einfrieren kann. Ich kann es auch kaum erwarten, die D5 und D500 zu testen. Das noch einmal verbesserte Rauschverhalten erschliesst komplett neue Möglichkeiten in der Wildlife-Fotografie und auf die D500 warte ich schon seit Jahren. In Alaska bei der Fotografie von Eisbären ist die Brennweitenverlängerung einfach Gold wert, da ich oft nicht nahe genug an die Eisbären und ihre Jungen heran komme.
Nikon D810: Meine D810 nutze ich meist für die Landschaftsfotografie und bei guten Lichtverhältnissen besonders in der Antarktis.
Nikon D750:
Meine Zweitkamera, wenn ich Wildlife fotografiere, die schneller ist
als meine D810. Sie ist auch meine Lieblingskamera für die
Makrofotografie. I mag den neigbaren Monitor, der mir Aufnahmen aus
Bodennähe erlaubt, ohne mich auf den Boden legen zu müssen. Diese
Eigenschaft ist sehr nützlich, wenn ich Pinguin-Kolonien fotografiere,
bei denen der Boden vollständig mit Guano bedeckt ist.
AF-S NIKKOR 14–24 mm 1:2,8: Mein Lieblingsobjektiv für die Eisbergfotografie, wenn ich im Zodiac-Schlauchboot unterwegs bin.
AF-S NIKKOR 24–70 mm 1:2,8: Immer in der Fototasche für die Landschaftsfotografie und bei der Wildlife-Fotografie aus kurzer Entfernung
AF-S NIKKOR 80–400 mm 1:4,5–5,6 ED VR:
Eines meiner am häufigsten eingesetzten Objektive, wenn ich Wildlife
fotografiere, und das einzige, das ich für Flugaufnahmen einsetze. Ich
liebe seine Vielseitigkeit, leichte Bauweise und kompromisslose Schärfe.
Es erlaubt mir eine grössere Mobilität und eröffnet eine ganze Reihe
neuer Möglichkeiten.
AF-S NIKKOR 200–400 mm 1:4,0 VR II:
In dieses Objektiv habe ich mich von Anfang an verliebt, seit Jahren
ist es mein liebstes Objektiv. Wenn ich keine langen Strecken laufen
muss, ist es meine erste Wahl.
AF-S NIKKOR 800 mm 1:5,6 E FL ED VR: Das ist mein Objektiv für die Bären. Superscharf und schnell! Zuweilen setze ich es mit einem 1,25-fach-Telekonverter ein.
Ebenfalls in der Tasche:
Nikon-Telekonverter TC-14E III, AF-S NIKKOR 70–200 mm 1:2,8 VRI, AF
Fisheye-Nikkor 16 mm 1:2,8, AF-S NIKKOR 16–35 mm 1:4, Blitzgeräte Nikon
SB-910 und SB-800
Kannst Du angehenden Wildlife-Fotografen ein paar Tipps an die Hand geben?
Meine 5 goldenen Regeln:
Vor Ort sein: Es
mag sich wie selbstverständlich anhören, aber wenn Du nicht vor Ort
bist, kannst Du auch kein Foto machen. Das bedeutet, dass Du Deine
Hausaufgaben machen musst, damit Du stets weisst, wo der beste
Aufnahmestandort ist und zu welcher Tageszeit Du da sein musst. Ich bin
normalerweise schon eine Stunde vor Sonnenaufgang aufnahmebereit an der
der Location und bleibe dort bis eine Stunde nach Sonnenuntergang. Zur
Tagesmitte, wenn die Lichtverhältnisse zu kontrastreich ist und die
Tiere weniger aktiv sind, bearbeite ich meine Bilder oder mache ein
Nickerchen, um mich für die nächste Fotosession auszuruhen.
Kenne dein Motiv und dein Equipment: In
der Wildlife-Fotografie ist es wesentlich, die Tiere, die Du
fotografieren willst, zu kennen, um ihr Verhalten voraussehen und den
entscheidenden Moment festhalten zu können. Deine Ausrüstung solltest Du
aus dem Effeff kennen, um die Action mit den richtigen
Kameraeinstellungen im entscheidenden Moment scharf in der Bewegung
«einfrieren» zu können.
Leidenschaft: Die Liebe und Leidenschaft, die Du in Deine Fotos steckst, wird sie immer aus der Masse herausheben.
Geduld: Wildlife-Fotografie
hat auch immer eine Menge mit Frustration zu tun. Du kannst Stunde um
Stunde, sogar Tage oder Wochen damit zubringen und dabei den schlimmsten
Witterungsverhältnissen ausgeliefert sein, ohne dass Dir die Aufnahme
gelingt, auf die Du sehnlichst gewartet hast. Daher ist Geduld einfach
unentbehrlich.
Ausdauer: Gib niemals auf! Am Ende hast Du Erfolg … wenn Du nur genug Geduld aufbringst!
Mehr von und über Nikon Ambassador Daisy Gilardini findet ihr auf ihrer Website.
Daisy Gilardini Naturfotografie Nikon Ambassador
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