ROSS HARVEY IM INTERVIEW

Mittwoch, 31. August 2016

Ross Harvey stand mitten in einer erfolgreichen Karriere als Grafikdesigner für internationale Unternehmen und hatte einen MasterAbschluss in Advanced Computer Science in der Tasche, als es 2006 zu einem Wendepunkt in seinem Leben kam: Er nahm spontan zum ersten Mal eine Kamera in die Hand – und verlor sein Herz an die Fotografie. 2010 schliesslich hängte er seinen Job an den Nagel und fing an, die Hochzeitsfotografie professionell zu betreiben.

In den letzten vier Jahren hat er sich einen glänzenden Ruf als einer der weltweit führenden Vertreter dieser Kunst erworben. Unzählige Auszeichnungen und Preise zeugen davon, darunter die Auszeichnung als «Bester Hochzeitsfotograf in England» 2013 und 2014, der Sieg bei den «Fearless Awards» in Grossbritannien 2013 und 2014 sowie eine begehrte Platzierung unter den von Junebug Weddings gekürten «Best in the World Wedding Photographers». Als begeisterter Nikon-Nutzer hat Ross vor Kurzem in seinem Blog erklärt, warum er für seine Arbeit die neue DSLR Nikon D750 zu seiner Hauptkamera gemacht hat und seine geliebte D3S als Back-up verwendet. Erfahre mehr über seine Blitzkarriere und über die Gründe, warum er die D750 mit dem 24-Megapixel-Sensor so unwiderstehlich findet …

Bild: Ross Harvey

Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Aus einem Impuls heraus habe ich 2006 auf eBay eine Gebrauchtkamera erworben. Ich war sofort hin und weg von der Fotografie. Dann, an Weihnachten 2008, bekam ich von meinem Vater ein wunderschön verpacktes Geschenk mit einer Karte, auf der geschrieben stand: «Folge deinem Traum.»
Das Geschenk war eine Nikon D700 – meinem Vater war nicht entgangen, dass ich mich schon monatelang über Vollformatkameras schlau gemacht hatte. Er ging kurz aus dem Zimmer und kam mit noch mehr Geschenken für mich zurück: professionelle Nikon-Objektive, Blitzlicht und Batterien. Diesen Tag werde ich nie vergessen, ebenso wenig wie das Geschenk und seine Worte! Sie haben mein Leben verändert.
Ursprünglich wollte ich Modefotograf werden. Ich verbrachte ein Jahr damit, Model-Portfolios zu fotografieren und mir Studio- und On-Location-Fotografie beizubringen. Es dauerte nicht lange, bis ein Freund mich bat, auf seiner Hochzeit zu fotografieren. Es folgte die nächste Anfrage und dann viele weitere. Von da an ging alles schnell. 2010 habe ich den Sprung gewagt und mich als professioneller Fotograf selbstständig gemacht. Ich fing damit an, zwei Nikon-D3-Kameras zu nutzen.

Wie würdest du deinen Ansatz beschreiben?
Ich versuche in meiner Arbeit verschiedene Elemente und Techniken der Fotografie zu kombinieren: die Story, das Emotionale, das Geheimnisvolle, die intelligente Nutzung des Lichts, die Gegenüberstellung, Kontrast, fortgeschrittene Gestaltungstechniken (geometrisch und/oder abstrakt), die Arbeit mit Bildebenen und -ausschnitten. Die Verwendung eines Elements stellt kein Problem dar, doch mehrere Elemente gleichzeitig zu kombinieren, ist eine echte Herausforderung – und macht die Magie aus.
Das Geheimnisvolle ist mir besonders wichtig: Ich möchte die Vorstellungskraft des Betrachters herausfordern, ihn einbeziehen und eine emotionale Beziehung aufbauen. Deshalb habe ich die Fotografie entschieden und nicht für Video. Videos zeigen alles, wie es ist – Fotos lassen dem Betrachter Raum zum Träumen.
Hochzeiten sind gefühlvoll und farbenfroh. Genau dies möchte ich in meiner Arbeit einfangen und ausdrücken. Ich bin kein Freund von Presets oder Massnahmen, mit denen Kontrast und Farbe abgeschwächt werden – die Erfahrung des Betrachtens scheint dadurch an Energie zu verlieren. Ich fotografiere auch überwiegend in Farbe und nutze Schwarz-Weiss-Fotografie nur für bestimmte künstlerische Zwecke.

Bild: Ross Harvey

Auf wie vielen Hochzeiten fotografierst du im Jahr?
Letztes Jahr fotografierte ich auf 45 Hochzeiten. Eine Menge Arbeit, wenn man all die Vor- und Nachbereitungen berücksichtigt, die mit Hochzeitsfotos einhergehen! Dazu gehört auch, aus den 4000 bis 5000 Bildern, die man in der Regel auf einer 14-stündigen Hochzeit schiesst, am Schluss rund 500 Fotos auszuwählen. Diese Arbeit hinter den Kulissen ist den Leuten in der Regel nicht bewusst. Ich werde oft gefragt, was ich denn unter der Woche so mache! Inzwischen bin ich selektiver geworden: Dieses Jahr waren es 35 Hochzeiten; nächstes Jahr möchte ich mich auf 20 beschränken, damit ich mehr Zeit mit meiner Partnerin Holly verbringen und an anderen Fotoprojekten arbeiten kann. Seit März habe ich jedes Wochenende gearbeitet, und jetzt ist bereits November …

Was sind die grössten herausforderungen?
Die grösste Herausforderung besteht darin, von Job zu Job kreativ zu bleiben und nicht in repetitive Muster zu verfallen – es ist sehr verlockend, Dinge zu wiederholen, routinemässig statt proaktiv zu handeln. Allerdings ist mit dieser Herausforderung die grösste Belohnung verbunden: die Erweiterung und Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten. Vor jeder Hochzeit nehme ich mir vor, mein Bestes zu geben, und diese Einstellung behalte ich den ganzen Tag bei. Die Funktionsweise des menschlichen Verstands in Bezug auf Absicht und Kreativität ist ein faszinierendes und hochspannendes Thema. Ich habe mich mehr als zehn Jahre lang mit den Bereichen Psychologie, Quantenphysik, Neurologie, Philosophie und Bewusstseinsforschung im Zusammenhang mit Glück und Kreativität befasst.
Meiner Ansicht nach wird die Hochzeitsfotografie unterschätzt – wahrscheinlich wegen der wirklich schrecklichen Bilder, die früher produziert wurden. Um in der heutigen Zeit als Hochzeitsfotograf Karriere zu machen, muss man in vielen Gebieten Experte sein: Man muss Geschichten erzählen können, Porträt- und Landschaftsfotografie beherrschen, sich mit Lichtverhältnissen (Direkt-, Umgebungs-, Blitzlicht) auskennen, Ahnung von Architektur- und Makrofotografie haben und so weiter. Man könnte einem erstklassigen Hochzeitsfotografen jeden beliebigen Auftrag erteilen, und er wäre wahrscheinlich in der Lage, ihn zu erfüllen. Einem Fotografen aus einer anderen Disziplin hingegen dürfte es schwerfallen, alle grundlegenden Elemente auf einer Hochzeit zu berücksichtigen.

Bild: Ross Harvey

Warum bist du ein begeisterter Nikon-Nutzer?
Nikon-Kameras behindern einen nicht; es gibt keine ergonomischen oder funktionellen Einschränkungen oder Kleinigkeiten, die das kreative Ergebnis oder die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Ich habe ein schnelles Auge und fotografiere entsprechend. Deshalb brauche ich eine Kamera, die mithalten kann. Die einzigen, die dazu in der Lage sind – und ich habe sie wirklich alle ausprobiert –, sind die Kameras von Nikon. Ich muss dabei an Musiker denken, sie inspirieren mich: Wenn ein Weltklassemusiker in sein Spiel vertieft ist, ist er vollkommen eins mit seinem Instrument. Diese Symbiose ist entscheidend für den künstlerischen Ausdruck. Genau das ist es, was ich fühle, wenn ich mit meinen D750-Kameras fotografiere bzw. früher mit der D3S: Meine künstlerische Vorstellung wird von der Technologie vollständig unterstützt.
Ich habe aus meiner Begeisterung für Nikon nie ein Geheimnis gemacht und war für viele Amateur- und Profi-Fotografen der Auslöser, sich für Nikon zu entscheiden oder darauf umzusteigen. Nach meinem Bericht über die D750 sind es sicherlich über hundert. Mindestens.

Erzähle uns mehr …
Ich liebe die D3S – sie war jahrelang meine Hauptkamera. Meiner Ansicht nach ist sie die perfekte Kamera für die Hochzeitsfotografie, und ich habe (unbeabsichtigt) eine Reihe von Profi-Fotografen dazu gebracht, ihre Ausrüstung zu wechseln. Meine beiden Gehäuse gingen auf die 300 000 Auslösungen zu, es wurde Zeit, Ersatz zu finden – so kam ich zu meiner D750. Sie ist quasi eine D3S in Kleinformat – es gibt einfach keine andere Kamera auf dem Markt, die punkto Preis, Grösse-Gewicht-Verhältnis und Leistung mithalten kann. Diese Kamera ist ein absoluter Traum.

Was sind die herausragenden Merkmale der D750?
Sie hat einen grossartigen Autofokus, mit Spotmessung, und stellt auch bei schwachem Licht unbeschreiblich schnell scharf – sie hat meine Erwartungen weit übertroffen. Der Dynamikumfang ist fantastisch, selbst bei ISO 9000, kein Farbrauschen, keine Flecken und kein schwarzes Band. Ihre hohe ISO-Fähigkeit ist vergleichbar mit der D3S. Dies wirkt sich erheblich auf die Nachbearbeitung aus und ermöglicht eine unglaubliche Detailnachbesserung, selbst wenn die Aufnahme mit fünf Blendenstufen unter der kleinsten ISO-Einstellung gemacht wird. Die Ergonomie ist ein weiterer Trumpf: Sie ist kleiner und leichter als die D3S und quasi ebenso leistungsstark (ausser in Bezug auf FPS und Puffergrösse) – wenn man viel unterwegs ist und den ganzen Tag zwei Kameras tragen muss, ist das ein entscheidender Vorteil.

Bild: Ross Harvey


Was hast du jetzt an Ausrüstung dabei?
Ich habe in meiner Tasche zwei D750-Gehäuse und zwei D3S als Back-up. Ich hätte nie gedacht, dass ich das je sagen würde! Darüber hinaus habe ich die folgenden Objektive dabei: 24mm f/1.4G, 35mm f/1.4G, 35mm f/1.8G, 45mm f/2.8 Tilt-Shift, 50mm f/1.4G, 85mm f/1.4G und 24–70mm f/2.8. Für 95 Prozent meiner Arbeit verwende ich ein 35-mm-Objektiv. Das f/1.8 ist brillant für Strassenfotografie, während ich das f/1.4G für meine Arbeit nutze, weil der Kontrast und die Farbwiedergabe bei schwierigem Licht besser sind.
Ich verwende Festbrennweiten-Objektive für alle Arbeiten mit Umgebungslicht und das 24–70-mm-Objektiv für alle Off-Camera-Flash-Aufnahmen. Ich habe mich bewusst für die Festbrennweiten-Objektive entschieden: Man wird gezwungen, sich mit der Gestaltung zu befassen. Wenn das Objektiv keine Zoomfunktion hat, muss man sich mehr Gedanken über den Bildausschnitt machen – und sich unter Umständen mit den Füssen «heranzoomen».

Hast du damit gerechnet, so erfolgreich zu werden?
Ich hatte mir hohe Ziele gesteckt, aber ich dachte nicht, dass ich sie so schnell erreichen würde; es hat nur vier Jahre gedauert. Der Schlüssel zum Erfolg ist, das zu tun, was man liebt. Dann fühlt es sich nicht wie eine lästige Pflicht oder Arbeit an. Ich wollte ursprünglich in die Fussstapfen meines Vaters treten und Programmierer werden, aber habe mir während meines Masters in Computerwissenschaften das Grafikdesign beigebracht. Und als ich als Grafikdesigner arbeitete, brachte ich mir die Fotografie bei. Beide Male habe ich meine Ziele erreicht, weil ich das, was ich tat, mit Begeisterung machte.

Bild: Ross Harvey


Und was würdest du abschliessend sagen?
Stell die Bedürfnisse des Brautpaars ins Zentrum. Scheu keine Mühe! Geld darf nie als Motivation dienen. Wenn das der Fall ist, dann fehlt es dir an Leidenschaft – und das merken die Leute. Eine Hochzeit ist ein gesellschaftlicher Event, du musst über sehr gute soziale Kompetenzen verfügen. Wenn du positiv und aufgeschlossen bist, dann spiegelt sich das in deiner Haltung und in deiner Arbeit wider. In unseren Werken kommt unser komplettes Wesen zum Ausdruck: unsere Ängste, Hoffnungen, Leidenschaften und Träume.


Hier gehts zum Bericht über die D750 in seinem Blog:
http://www.rossharvey.com/reviews/nikon-d750-review


Weitere Arbeiten von Ross Harvey findet ihr auf seiner Website

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