PORTRÄT-WORKSHOP: EMOTIONALE BILDER IM STIL VON SEBASTIAN BERTHOLD ALIAS „BERGSTRVM“

Donnerstag, 13. Februar 2020

Sebastian Berthold beschreibt den Charakter seiner Porträt-Aufnahmen als „persönlich und intim“. „Ich möchte hinter die Augen meines Motivs blicken und mit einfachen Mitteln eine intensive Nähe schaffen“, erklärt der 32-jährige Profi-Fotograf aus Berlin, der seine Arbeit unter dem Pseudonym „bergstrvm“ veröffentlicht. Der Quereinsteiger hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Mit seiner Nikon D850 bereist er die Welt, lernt dabei viele Menschen kennen und teilt seine Erinnerungen in emotionalen Bildern. Euch gefällt sein Porträt-Stil und ihr möchtet gerne wissen, wie solche Bilder entstehen und was es zu beachten gibt? Wir haben mit Sebastian Berthold gesprochen und gemeinsam mit ihm viele nützliche Tipps für euch zusammengestellt.

Planung

Was kommt zuerst: Das Model oder die Location?
Für Sebastian Berthold steht bei einem Porträt-Shooting das Model stets im Vordergrund. Der Aufnahmeort, also die Kulisse, und auch das Posing sind für ihn nur die Bühne, auf die er das Model stellt. Bei der Frage, ob er zuerst nach einem Model oder nach einer Shooting-Location sucht, ist die Antwort eindeutig. „Für mich ist es nicht notwendig, den Ort vorher zu planen. Viel wichtiger ist es, authentische Emotionen meines Gegenübers zu empfangen.“ Sein Tipp lautet daher, erst nach einem Model Ausschau zu halten und dann gemeinsam nach einem Ort zu suchen, der die gewünschten Emotionen unterstützt.

So könnt ihr vorgehen
Nach der Verabredung zu einem Porträt-Shooting rät Berthold dazu, bei der weiteren Planung primär auf das Wirken von kleinen Requisiten zu achten. Dabei sollten die Requisiten nicht zu sehr vom eigentlichen Motiv ablenken. Auch die gegebenen Lichtverhältnisse am Aufnahmeort spielen eine wichtige Rolle. Sebastian Berthold porträtiert seine Modelle ausschliesslich mit Tageslicht. Solltet ihr euch ebenfalls für diesen Ansatz entscheiden, achtet am besten darauf, dass die Location ausreichend Umgebungslicht bereithält. Auch bei der Kleidung rät der Profi zu einem schlichten Outfit, das das Motiv ergänzt und die emotionale Wirkung unterstützt. Die Kleidung sollte bei solchen Aufnahmen nicht im Vordergrund stehen.

Der Berliner Fotograf Sebastian Berthold veröffentlicht seine Arbeit unter dem Pseudonym „bergstrvm“.

Licht

Weniger Technik, mehr Gefühl
Sebastian Berthold verzichtet auf einen aufwendigen technischen Aufbau. Er arbeitet am liebsten mit natürlichen Lichtquellen und greift nur selten auf Kunstlicht zurück. Manchmal setzt er zusätzlich Styroporwände als Reflektoren ein und verwendet Segel und Bettlaken, um das Licht zu lenken und diffuser wirken zu lassen. In den meisten Fällen bewegt er sich mit seinem Model durch den verfügbaren Raum und begibt sich auf die Suche nach dem perfekten Licht. „Ich bin dabei emotional gesteuert“, erklärt er und spricht von einem natürlichen Sensor, der ihm sagt: „Hier sieht es schön aus!“. Deshalb sein Tipp: Versucht nicht, das Licht vorher schon im Kopf perfekt zu planen. Lasst euch auf das Model und die Location ein und entscheidet spontan, welche Stelle und welche Lichtstimmung am besten passen.

Keine Angst vor hartem Licht
Bei Outdoor-Aufnahmen spielt natürlich die Tageszeit eine wichtige Rolle. Am Nachmittag und am Abend ist die Sonne sehr schmeichelhaft. Aber auch mittags gibt es Möglichkeiten, diffuses Licht zu finden. Das können zum Beispiel ein Fenster oder das Blätterdach eines Waldes sein. Diffuses Licht ist aber nicht zwingend die beste Lösung. Traut euch und versucht es auch einfach mal mit direktem Sonnenlicht. Sebastian Berthold arbeitet mit beidem gerne. Am besten einfach ausprobieren.

Bildgestaltung

Fotografie-Regeln und das Bauchgefühl
Für die Bildgestaltung und die Wahl des optimalen Bildausschnitts gibt es viele Tipps und Regeln, die vor allem Fotografie-Einsteigern eine Hilfe sind. Auch Sebastian Berthold arbeitet mit vielen unterschiedlichen Aus- und Anschnitten. Doch was ist eigentlich besser? Macht es Sinn, den optimalen Bildausschnitt schon bei der Aufnahme zu wählen oder ihn erst hinterher bei der Bildbearbeitung festzulegen? Auch wenn moderne Kameras heutzutage viele Crop-Möglichkeiten zulassen, rät Sebastian Berthold dazu, den perfekten Ausschnitt schon beim Fotografieren zu wählen. „Die Nähe oder die Distanz, die ich durch den gewählten Ausschnitt zum Motiv erhalte, wirkt sich auch auf das Model aus. Die Intimität verändert sich.“ Grundsätzlich stellt er sich aber keine Regeln auf und entscheidet sich bei der Bildgestaltung emotional nach seinem Bauchgefühl.

Farbgebung

Die Vorteile einer Schwarzweiss-Tonung
Sebastian Berthold veröffentlicht viele seiner Porträt-Aufnahmen in Schwarzweiss. Schwarzweiss ist für ihn in erster Linie eine ästhetische Tradition, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Davon abgesehen gibt es Lichtverhältnisse, bei denen er die Kontrastwirkung durch Schwarzweiss schlichtweg schöner findet. Besonders bei hartem Licht und starken Kontrasten kann Schwarzweiss die bessere, weil spannendere Lösung sein. Ausserdem verzeiht Schwarzweiss auch viel. Sollte mal eine Über- oder Unterbelichtung dabei sein, lässt sich die Aufnahme durch eine Tonung in Schwarzweiss möglicherweise retten. Doch auch absichtliche Überbelichtungen sind möglich. Berthold rät grundsätzlich dazu, sich von eingrenzenden Normen zu lösen und mehr zu experimentieren.

Vorher oder nachher in Schwarzweiss umwandeln?
Hier hat jeder Fotograf seine eigene Philosophie. Wenn ihr den Schwarzweiss-Modus in den Bildstilen eurer Kameras bereits zur Aufnahme auswählt, könnt ihr sofort entscheiden, ob die Lichtstimmung dazu passt und reagieren, wenn ihr etwas ändern möchtet. Berthold selbst fotografiert hingegen meist in Farbe und wandelt die Bilder erst später in Schwarzweiss um.

Beim Shooting

Der Wohlfühl-Faktor ist enorm wichtig
Für emotionale Porträts bedarf es einer guten Kommunikation und einer entspannten Atmosphäre. Sebastian Berthold hat dazu den folgenden Tipp für euch: „Ich lerne mein Motiv meist durch gewöhnlichen Austausch kennen, zeige, dass ich mich für ihn oder sie als Mensch interessiere, stelle nach eigenem Ermessen Fragen und gebe genauso die Möglichkeit, mich kennenzulernen.“

Zum Start kann es beispielsweise eine gute Idee sein, schön während des Kennenlernens beiläufig ein paar Bilder aufzunehmen. So können sich beide besser auf das Shooting einstellen und sich gemeinsam an die Kamera gewöhnen. Um echte Lacher und ehrliche Gefühle einzufangen, ist es am besten, wenn das Model ganz unbefangen agieren kann. Sebastian Berthold sieht sich daher als Beobachter, der einfach das festhält, was ihm bereits beim Kennenlernen von seinem Model gegeben wird.

Fehler in der Kommunikation vermeiden
Um eine entspannte Atmosphäre zu erreichen, ist es wichtig, dass ihr euch selbst eurem Gegenüber öffnet. Fotograf und Model sind sich physisch sehr nah, auch wenn sich beide zuvor noch fremd waren. Deshalb solltet ihr nicht fordern, sondern gemeinsam auf Augenhöhe interagieren.

Posing-Tipps für emotionale Porträts
Ob ihr das Model anleitet oder ob ihr euer Gegenüber selbstständig agieren lasst, hängt sehr stark von der Person ab, die vor eurer Kamera steht. Schauspieler und professionelle Models sind meist in der Lage, selbst zu posieren und dem Fotografen Verschiedenes anzubieten. Für Sebastian Berthold ist es die Aufgabe des Fotografen, zu entscheiden, ob er Posings vorschlagen möchte, oder ob er das Model frei wählen lässt. Sein Tipp: „Weniger ist mehr. Die Augen spielen die Hauptrolle. Viele fühlen sich wohl, wenn die Hände den Kopf stützen. Das gibt ihnen scheinbar Sicherheit. Auch eine sitzende Position schafft bei vielen anfänglich Sicherheit und Lockerheit. Probiert euch einfach aus.“

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