FINSTERLAY: EINE FOTOGRAFISCHE SPURENSUCHE IM EIFELER MÜHLSTEINREVIER MIT DER NIKON D850

Mittwoch, 12. Mai 2021

Eigentlich ist Marc Hillesheim als Corporate- und Peoplefotograf voll ausgelastet und hat wenig Zeit für ausufernde eigene Projekte. Im Lockdown aber hat der Kölner eine 7.000-jährige Begegnung zwischen Mensch und Natur wiederentdeckt – und sie in bildgewaltigen Nachtaufnahmen essayistisch dokumentiert.

Diese Geschichte beginnt mit einer Apokalypse: Vor 200.000 Jahren brechen in der Osteifel der Bellerberg- und des Wingertsberg-Vulkan aus. Glutwolken steigen in den Himmel, es regnet Gesteinsbomben, und in die Gegend zwischen den heutigen Orten Mendig, Ettringen, Kottenheim und Mayen ergiessen sich drei Lavaströme, die schliesslich erkalten und eine bis zu dreissig Meter dicke Basalt-Schicht bilden.

Vor rund 7.000 Jahren schreibt der Mensch das zweite Kapitel dieser Geschichte: Er baut das besonders harte und widerstandsfähige Gestein ab, vor allem, um daraus Mühlsteine herzustellen, später auch Baumaterial. Die Methoden im ältesten Bergbaurevier nördlich der Alpen verändern sich über die Zeit; ab dem Mittelalter wird auch unter Tage abgebaut. Schächte und Höhlen entstehen, die später (wegen der dauerhaft niedrigen Temperaturen und bis zur Erfindung der Kühltechnik) dutzenden lokalen Brauereien als Gär- und Lagerkeller dienen.

Marc Hillesheim mit seiner Nikon D850

Heute – und damit schlagen wir das dritte, das fotografische Kapitel dieser Geschichte auf – sind die Lavakeller europaweit eines der wichtigsten Quartiere für Fledermäuse – und die Steinbrüche ein beliebtes Ziel für Freeclimber. Es ist dieses Gebiet, in dem Marc Hillesheim aufwächst und das er erst Jahrzehnte später fotografisch für sich entdecken wird. „Ich habe damals in den Bimsgruben der Umgebung gespielt, die Landschaft hat mich schon immer fasziniert. Aber es brauchte den Lockdown, damit ich die Zeit fand, sie auch unter fotografischen Gesichtspunkten zu sehen“, sagt Marc, der inzwischen in Köln lebt.

Von Lava und Menschen geformt

Im Frühjahr letzten Jahres – die meisten Aufträge liegen pandemiebedingt auf Eis – trifft er sich mit Olaf, einem alten Freund und begeisterten Amateurfotografen. Die beiden durchwandern das historische Mühlsteinrevier und stossen dabei immer wieder auf Relikte: alte Steinbrüche, Kräne, Loren und Schienen, die dem Abtransport der Steine dienten, auf bemooste Stützmauern, bizarre Felsformationen und steile, von Menschenhand geschaffene Abbrüche. „Die Landschaft wurde durch die Kräfte des Vulkanismus geformt, aber auch von Menschen. Heute kehrt die Natur zurück und oft ist es schwierig zu erkennen, wo die Natur in das Menschengemachte übergeht – und umgekehrt“, sagt Marc. „Aber genau das macht diese Gegend geschichtlich wie fotografisch so faszinierend.“

Ettringer Panorama

Nach einigen Streifzügen entscheiden sich die beiden passionierten Fotografen, die Gegend tagsüber auszukundschaften und nachts abzulichten, um den unwirklichen Charakter der Szenerie zu unterstreichen. Ausgerüstet mit einer Nikon D850, einem AF-S NIKKOR 16-35 mm 1:4G ED VR und entfesselten Blitzen durchforsten sie das Areal und machen lohnende Motive ausfindig. Dann warten sie, bis die Dunkelheit hereinbricht, modellieren die Szenerie in Multishot-Langzeitbelichtungen und mittels akzentuierter Blitze aus. Das Ergebnis sind suggestive Bilder, die die historischen Facetten wie auch die märchenhafte Anmutung dieser eigentümlichen Kultur-Naturlandschaft verdichten.

Inzwischen sind so mehr als hundert Aufnahmen entstanden – und der Kontakt zu einer Initiative, die sich darum bemüht, die einzigartige anthropogene Landschaft in die UNESCO-Welterbeliste aufnehmen zu lassen. „Ich habe noch nie so lange an einem Sujet gearbeitet. Das Gute ist: Mir hat dieses unverhofft aus der Pandemie geborene Projekt die Faszination an der Fotografie zurückgebracht, die ich ein wenig aus den Augen verloren hatte“, sagt Marc, der sich zuletzt zunehmend auf die Produktion von Filmen für Unternehmen spezialisiert hatte. „Es war eine Rückkehr zu meinen biografischen Wurzeln und die Chance, diese Geschichte entlang der Schnittstelle von Natur und Kultur so zu dokumentieren, wie sie bislang wohl noch nicht erzählt wurde.“ Die Erkundung der Landschaft und die fotografischen Inszenierungen zusammen mit einem alten Freund seien vor allem aber auch ein grosser Spass, sagt Marc. „Und nach getaner Arbeit, nachdem das Bild im Kasten ist, morgens um halb Vier eine Flasche „Vulkanbräu“ zu entkronen, eine der superleckeren Biersorten, die auf die Tradition der natürlichen Bierkeller zurückgehen, das ist schon ein tolles Gefühl.“

FINSTERLAY?

Marc, warum heisst euer Projekt „Finsterlay“?

Lay – oder Ley – ist ein altes Wort für Felsen oder Klippe, in der Eifel bezeichnet man so seit jeher und bis heute die alten Basalt-Steinbrüche. „Finsterlay“ ist der Name, den Freeclimber einer bestimmten Lay gegeben haben. Es ist ein ganz besonderer Ort, kreisrund mit einem 40 Meter grossen Durchmesser und eingesäumt von steilen Lavahängen – unser Lieblingsort für das Projekt.

Ganz allgemein gesprochen: Was fasziniert dich an diesem Projekt?

Da gibt es viele Aspekte. Ich war vor dem Lockdown überall in der Welt unterwegs, und ich liebe es zu reisen. Mit „Finsterlay“ habe ich hingegen meine Heimat neu entdeckt. Ich habe Aspekte gefunden, die ich zuvor so nie wahrgenommen hatte. Darüber hinaus hat das Ganze auch einen klaren Abenteuer-Charakter: das Aufspüren der Locations, die tollen Naturbegegnungen, gerade bei Nacht: Uhus rufen, Füchse bellen, Fledermäuse flattern im Frühjahr scharenweise aus den unterirdischen Unterschlüpfen ... Und dann gab es diese Vollmondnächte, die erfüllt waren von dem zauberhaften und erstaunlich lauten Gesang der Nachtigallen – Gänsehautfaktor pur!

Wie seid ihr konzeptuell vorgegangen?

Am Anfang haben wir das Projekt vor allem unter visuellen Aspekten gesehen – also die Dramatik vor Augen gehabt, die man nachts erzeugen kann. Im Grunde sind es ja „Lost places“, die eingebettet sind in die Natur und einen eigentümlichen Zauber besitzen. Uns ging es darum, mittels gezielter Lichtakzente den Blick zu lenken und zu sagen: Guck hierhin! Der Mensch hat dieses Areal mitgestaltet, und wir schaffen mit unserer theatralischen Ausleuchtung jetzt etwas Neues. Irgendwann haben wir dann nach einer inhaltlichen Klammer gesucht, und die hat sich dann unter anderem in Form der UNESCO-Welterbe-Initiative herauskristallisiert. Das verleiht unserer Arbeit eine gewisse historisch-dokumentarische Relevanz und erhöht zugleich unsere Reichweite – ein echter Glücksfall.

Zur technischen Umsetzung: Warum hast du die Nikon D850 eingesetzt, warum das AF-S NIKKOR 16-35 mm 1:4G ED VR?

Ich arbeite im Kleinbildbereich schon immer mit Nikon. Speziell mit der D850 bin ich restlos happy. Die Kamera macht, auf eine für mich schwer erklärbare Weise, Bilder, die dem organischen Look von Mittelformat-Kameras des analogen Zeitalters sehr nahe kommen, und das auch und gerade, wenn man mit höheren ISO-Werten arbeitet oder die Bilder ausdruckt. Gleichzeitig ist der Dynamikumfang einfach umwerfend: Die Schwärzen, die Zeichnung, das ist einfach der Wahnsinn! Was das Objektiv angeht: Das AF-S NIKKOR 16-35 mm 1:4G ED VR liefert sehr detailgetreue und hochauflösende Bilder, die scharf bis in die Ecken sind. Auch die Zoomfunktion ist sehr hilfreich, die Menge an Equipment zu reduzieren, das wir nachts durch die Steinbrüche schleppen.

Wie, glaubst du, wirken deine Finsterlay-Bilder auf den Betrachter?

Das konnte ich glücklicherweise schon ein wenig beobachten. Anlässlich der UNESCO-Bewerbung haben wir einen Teil unserer Bilder nämlich bereits in einer kleinen Ausstellung in der Eifel zeigen können. Viele Besucher waren sehr angetan von den Bildern, auch wenn sie sonst vielleicht nur wenig Bezug zu fotografischen Arbeiten haben. Die haben intuitiv verstanden, worum es geht.

Wird das Projekt weitergehen?

Auf jeden Fall. Einerseits wollen wir unsere Bilder an den Aufnahme-Orten selbst präsentieren – in Form wetterfester dauerhafter Bildinstallationen, das ist jedenfalls der Plan. Sicher ist auch jetzt schon: Wir werden unsere fotografische Forschungsreise ausweiten auf das, was mit dem Basalt in den umliegenden Orten passiert ist, wo er als Baustoff je nach Abbaustätte und finanziellen Ressourcen ganz unterschiedlich verarbeitet wurde und so das natürliche, aber auch soziale Gefüge vor Ort sichtbar macht.

WHAT'S IN MY BAG

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