DER SPORTFOTOGRAF MATTHIAS HANGST ÜBER DAS GESPANN NIKON Z 9 PLUS NIKKOR Z 400 MM 1:2,8 TC VR S

Donnerstag, 10. November 2022

Matthias Hangst, Sportfotograf und Director of Photography bei Getty Images, über die Herausforderungen seines Jobs, die Motivwelten, die die Nikon Z 9 zusammen mit dem neuen NIKKOR Z 400 mm 1:2,8 TC VR S erschliesst und die Frage, wie man ikonische Bilder schafft.

Matthias, vorab kurz zu deinem Werdegang: Du hast ein Volontariat bei einer Sportfoto-Agentur gemacht, dann zehn Jahre als freier Sportfotograf gearbeitet und bist seit 2014 fest angestellt bei der Bildagentur Getty Images – inzwischen als Director of Photography. Kommst du in dieser Position überhaupt noch zum Fotografieren?

Immer weniger –  nur bei grossen Events wie der Champions League und da dann vielleicht ein, zwei Tage die Woche. Als Director of Photography bin ich gemeinsam mit einem Kollegen in UK europaweit für den Bereich Editorial-Sport zuständig. Wir führen ein Team von rund 35 festangestellten Fotografinnen und Fotografen, bereiten grössere Events mit vor und halten auch Kontakt zu Kunden wie etwa der DFL, UEFA oder FIFA. Ausserdem definieren wir unser konzeptionelles Profil, sprich die bildsprachlichen und technischen Richtlinien.

Apropos Technik: Die Sportfotografie gilt ja als eine der letzten Bastionen klassischer Spiegelreflexkameras. Du und dein Team, ihr fotografiert aber inzwischen spiegellos – du selbst mit der Nikon Z 9. Warum?

Man muss sagen: Wir sind nach wie vor in beiden Welten unterwegs. Die Nikon D6 ist ein unglaubliches Arbeitstier, mit dem ich wohl bis zum Ende meines Arbeitslebens fotografiert hätte, wenn die spiegellose Kameratechnik nicht entwickelt worden wäre. Mit Aufkommen dieser neuen Technologie war mir klar: Da liegt die Zukunft. In der Sportfotografie dreht sich nun mal alles um Action und damit um die Autofokusleistung und die Frames per Second. Spiegellose Systeme sind da definitiv der nächste Schritt.

Wie funktioniert das?

Um Datenmengen und damit Zeit zu sparen arbeiten wir im JPEG Modus. Wir schicken die in der Regel mit einer Voice Caption versehenen Bilder via LAN-Netzwerk, WLAN oder 5G an ein Team von Leuten, die so genannten Remote Editors, die dann die besten Bilder auswählen, ggf. beschneiden, mit den nötigen Datei-Informationen versehen und dann so schnell wie möglich an die Kunden senden.

Und was heisst schnell?

Im Schnitt brauchen wir zwei bis vier Minuten, bei Ausnahmebildern – etwa dem Sieg beim 100-Meter-Lauf – , sind wir noch schneller. Unser Rekord liegt bei unter 30 Sekunden. Und noch etwas ist wichtig mit Blick auf die Kamera, und das ist bei der Z 9 gegeben: Sie muss einiges abkönnen.

Warum spielt die Robustheit so eine zentrale Rolle?

Weil man als Sportfotograf dichtgedrängt im Kollegen-Pool steht – und damit im Wettbewerb um das ultimative Bild: das, was am Ende abgedruckt wird oder online als Aufmacher genutzt wird. Da rappelt und knallt es neben dem Spielfeld, man schubst sich ganz unweigerlich. Also braucht man echte Werkzeuge, Kameras, mit denen man sprichwörtlich einen Nagel in die Wand schlagen kann.

Inwiefern?

Ein mechanischer Spiegel klappt nun mal hoch und runter, da ist bei der Weiterentwicklung von Autofokus und Serienbildgeschwindigkeit irgendwann eine physikalische Grenze erreicht. Mit der Nikon Z 9 erreiche ich 20 Bilder/Sekunde – mehr als mit jeder DSLR. Auch in puncto Scharfstellen hat sie aufgrund der kontinuierlichen Messmöglichkeiten die Nase vorn. Das 3D-Tracking funktioniert hervorragend. Unterm Strich kann man mit der Z 9 Bilder einfangen, die mit keiner DSLR bislang möglich waren. Vorausgesetzt, man weiss die Kamera einzusetzen.

Was meinst du damit?

Mit der Z 9 zu fotografieren, ist wie einen Rennwagen zu fahren: Man muss die Kamera sehr gut kennen, entsprechend „customizen“, also auf die eigenen Bedürfnisse und Herausforderungen in unterschiedlichen Aufnahmesituationen abstimmen. Und man muss regelrecht mit ihr trainieren, ähnlich wie ein Spitzensportler. In dem Bereich, in dem wir unterwegs sind, geht’s darum, alles aus den Geräten herauszuholen, also buchstäblich um die letzten paar Prozent, und das nicht nur in Sachen Bildqualität, sondern auch mit Blick auf das, was wir „Speed to market" nennen. Darum, die Bilder schnell zu editieren, mit den relevanten Captions, also Bildinformationen, zu versehen und möglichst rasch an den Kunden zu bringen.

Wie bewertest du den elektronischen Sucher der Z 9 im Vergleich zu einem optischen?

Fakt ist: Beim Sport kann jeder Sekundenbruchteil der alles Entscheidende sein, die Konsequenz ist: Als Sportfotograf schaut man sehr lange und intensiv durch einen Sucher, bei einem Fussballspiel beispielsweise fast die kompletten 90 Minuten. Da bedeutet ein elektronischer Sucher anfänglich schon eine Umstellung. Hinzu kommt: Die meisten Kollegen halten beim Arbeiten beide Augen geöffnet, weil sie auch das Geschehen links und rechts vom Bildausschnitt verfolgen wollen. Lange Zeit haben elektronische Sucher langsamer reagiert als das menschliche Auge, das führte zu Ermüdungsprozessen. Inzwischen haben wir aber einen Punkt erreicht, bei dem die Unterschiede marginal sind. Ehrlich gesagt erkenne ich den Unterschied bei der Z 9 im Vergleich zur D6 nur noch, wenn ich mit beiden Kameras parallel arbeite.

Das neue NIKKOR Z 400 mm 1:2,8 TC VR S, das erste lichtstarke Supertele für das spiegellose Z-System, schliesst eine wichtige Lücke gerade für Sport- und Wildlifefotografen. Du hast es intensiv testen können. Wie lautet dein Urteil?

Das NIKKOR Z 400 mm 1:2,8 TC VR S liegt vergleichsweise leicht aber ausbalanciert in der Hand. Es fokussiert schnell und akkurat und die optische Qualität ist hervorragend –  gefühlt nochmal einen Ticken besser als beim Spiegelreflex-Pendant. Kurz: Das Arbeiten macht Spass. Das Entscheidende ist aber: Das Ding wiegt fast ein Kilo weniger als das für DSLRs gerechnete 400 mm AF-S Objektiv. Man kann damit also noch öfter aus der Hand fotografieren.

Aber ist in der Sportfotografie ein Einbeinstativ nicht ohnehin unvermeidlich?

In der Regel schon, das geht schon körperlich nicht anders. Du hast aber Sportarten, wo es nur aus der Hand funktioniert. Skispringen etwa. Hier spielt auch der gut arbeitende optische Bildstabilisator des Z 400 mm 2,8 seine Stärken aus. Wir haben „Mitzieher“ ausprobiert, da gehen jetzt noch längere Verschlusszeiten aus der Hand. Was speziell beim neuen Z 400 mm noch hinzukommt, ist der eingebaute Telekonverter, mit dem sich die Brennweite per Kippschalter auf 560 mm verlängern lässt. Zugegeben: Qualitativ ist das nicht dasselbe wie ein proprietäres 600m-Objektiv, das Nikon ja auf der aktuellen Objektiv-Roadmap zeigt, aber ein gelungener Kompromiss: Es ist extrem hilfreich, wenn man nicht den ganzen Tag ein 400er plus ein 600er mit sich herumtragen muss.

Wieviel Objektive bzw. Kameras hat denn ein professioneller Sportfotograf parallel am Start?

Kommt darauf an, bei einem Fussballspiel sind es vier. Drei hat man umhängen, in der Regel ein 70-200 mm, eine lichtstarke lange Brennweite wie z. B. das Z 400 mm 1:2,8 TC VR S und ein kürzeres Zoom, beispielsweise ein 24-70 mm oder eine Festbrennweite, etwa ein 35 mm für Porträts und nahe Szenen. Die vierte Kamera wird „remote“, also per Fernsteuerung bedient und zielt von hinten auf das Tor.

Du giltst international als einer der besten Sportfotografen und hast dreimal den Sven-Simon-Preis gewonnen, – den wohl wichtigsten deutschen Award in der Sportfotografie. Deshalb die Frage: Wie schafft man ikonische Bilder? Und: Kann das jeder lernen?

Im Kern geht es um fotografische Perfektion gepaart mit journalistischem Talent. Ich denke, man kann nicht jeden Menschen zu einem Fotografen mit einem Ausnahme-Auge machen, es braucht ein visuelles Grundgespür, das sich nur bedingt erlernen lässt. Man kann aber mit sehr viel Fleiss sehr weit kommen – ob zur Weltspitze wage ich aber zu bezweifeln.

Über Matthias Hangst

Matthias Hangst, Jahrgang 1978, ist ein preisgekrönter Sportfotograf und hat bereits an elf Olympischen Spielen teilgenommen, sowohl die Endrunde der FIFA-Weltmeisterschaft der Männer als auch der Frauen begleitet und bei den meisten grossen internationalen Sportveranstaltungen auf der ganzen Welt gearbeitet. Nachdem er über zehn Jahre lang als unabhängiger Fotograf tätig war, wurde er 2014 angestellter Fotograf bei der Bildagentur Getty Images, bei der inzwischen als Director of Photography fungiert. Matthias ist selbst Leistungssportler und hat den Blick für den besonderen Moment. Neben zahlreichen Auszeichnungen hat der Nikon Deutschland Botschafter erfolgreiche Werbekampagnen für namhafte Marken fotografiert und arbeitet regelmässig im Auftrag von Sponsoren und Organisationen.

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