MIT DEM BERLIN-FOTOGRAFEN MARCELLO ZERLETTI UND DER NIKON Z 7 ZUM BRANDENBURGER TOR

Dienstag, 26. April 2022

Marcello Zerletti ist professioneller Fotograf mit Sitz in Berlin. Er fotografiert vorzugsweise in den frühen Morgenstunden, um die Stimmung einer erwachenden Stadt oder Landschaft einzufangen und versucht den Betrachter immer mit auf einen kleinen Ausflug zu nehmen. Obwohl er weltweit als Auftragsfotograf unterwegs ist, liebt er seine Heimatstadt und entdeckt sein Berlin gerne immer wieder neu. "Ich arbeite für Automarken, Tourismusverbände, Hotels und vieles mehr. In meiner Freizeit und freien Arbeit lasse ich mich auf langen Spaziergängen von meiner Umgebung inspirieren und entdecke oft die kleinen Dinge, die man im Alltag übersieht."

Heute nimmt er euch der Berlin-Fotograf mit zu seinem Liebling-Spot: dem Brandenburger Tor.

Hallo Marcello, warst du heute schon am Brandenburger Tor?

(lacht) Nein, warum?

Weil ein Blick auf deinen Instagram-Account zeigt, dass du überdurchschnittlich häufig den Berliner Dom und das Brandenburger Tor ins Visier nimmst …

Das stimmt, aber ich war heute tatsächlich noch überhaupt noch nicht fotografieren. Es nieselt, und es gibt einen Sturm, der die Tropfen auf die Linse treibt – keine wirklich guten Bedingungen.

Wobei du ja „schlechtes“ Wetter nicht unbedingt scheust. Sonnige Postkartenmotive sind jedenfalls offensichtlich nicht dein Favorit ...

Nein, die sprichwörtlich „heile Welt“ mag ich auf Fotos tatsächlich gar nicht. Mir gefallen Aufnahmesituationen, in denen Bilder entstehen, für die es inzwischen ein Schlagwort gibt: atmosphärisch bzw. „moody“.

Die wörtliche Übersetzung wäre „launisch“. Gemeint ist aber vor allem in der Landschafts- und der Stadtfotografie etwas anderes …

Gemeint sind Bilder, die mit Wolken, Wetter und wechselnden Lichtverhältnissen spielen und dunkle Lichtpartien betonen. Mittlerweile ist das ein sehr gängiger Look, aber als ich 2015 meine ersten Bilder hochgeladen habe, waren noch poppig-bunte Bilder angesagt, teilweise sogar im HDR-Look (High Dynamic Range oder Hochkontrastbild). Anfänglich bin ich für meinen Stil öfter kritisiert worden, es hiess der sei so düster.

Du bist deinem Stil trotzdem treu geblieben und warst damit, wenn man so will, dem visuellen Zeitgeist einen Tick voraus. War das eine taktische Überlegung?

Nein, ich habe damals Bilder aus den USA gesehen, die ich sehr ansprechend fand und dann versucht diesen „moody“-Stil mit meinen Mitteln und an meinen Locations zu adaptieren. So lasse ich beisuelsweise einfach dunkle Bildareale dunkel und helle hell, das ist in meinen Augen realistischer. Da steckte aber kein Kalkül dahinter mit Blick auf Likes oder ähnliches.

Trotzdem hast du inzwischen fast 100k Follower, obwohl du vergleichsweise spät auf Instagram aktiv geworden bist, nämlich 2016. Worauf führst du dieses starke Wachstum zurück?

Schwer zu sagen. Fakt ist: Ich habe am Anfang sehr viel Berlin-Content gepostet, und Berlin war und ist ein Sehnsuchtsziel für Fotografen. Vielleicht waren es auch die besonderen Stimmungen und Blickwinkel, die ich eingefangen habe und die noch nicht so verbreitet waren: Ich fotografiere ja fast ausschliesslich in der blauen bzw. goldenen Stunde frühmorgens. Früher war ich der fast einzige Fotograf, der um diese Zeit unterwegs war, mittlerweile gibt es sogar geführte Fotoexkursionen und Fotowalks um die Uhrzeit. Hinzu kommt vermutlich, dass ich schon früh technisch anspruchsvollere Bilder auf Instagram gepostet habe, – mit etwa Langzeitbelichtungen oder Aufnahmen mit besonderen Perspektiven, als es auf Instagram noch üblich war mit dem zu Handy fotografieren.

Du fotografierst gar nicht mit dem Handy?

Jedenfalls nicht auf meinen Fototouren - da habe ich immer die Nikon Z 7 und die Nikon D850 dabei. Mir geht es vor allem darum, durch verschiedene hochwertige Objektive unterschiedliche Perspektiven einzufangen.

Welche Objektive sind das?

An der Z 7 habe ich eigentlich immer das NIKKOR Z 24–70 mm 1:2,8 S, an der D850 wechsle ich zwischen dem  AF-S NIKKOR 14-24 mm 1:2,8G ED und dem AF-S NIKKOR 70-200 mm 1:2,8E FL ED VR, das ich je nach Motiv, über einen Konverter auf 400 mm verlängere.

Warum setzt du auf Nikon?

Ich habe um 2014 mit der Nikon D5000 angefangen und bin dann nach und nach auf höhenwertige Modelle gewechselt. Ich habe nie einen Grund gesehen, die Marke zu wechseln, da gilt für mich einfach: „Never change a running system”.

Welche der beiden Kameras nutzt du mehr?

Die Nikon Z7 ist inzwischen ganz klar meine Hauptkamera.

Warum?

Vor allem weil ich mich an den tollen elektronischen Sucher gewöhnt habe. Die Tatsache, dass ich sofort sehe, was passiert, wenn ich bestimmte Aufnahmeparameter verändere, ist einfach super, das möchte ich nicht mehr missen. Hinzu kommt: Es ist viel einfacher aus ungewöhnlichen Perspektiven zu fotografieren, etwa wenn ich auf dem Boden liegend fotografiere. Und: Wenn ich Tiere ins Bilder integriere, werden die nicht verschreckt, weil es kein Auslösegeräusch gibt:

Apropos Tiere: Es gibt dieses geniale Bild, auf dem ein Eichhörnchen vor dem Brandenburger Tor zu sehen ist. Wie ist die Aufnahme entstanden?

Als ich vor Ort war, habe ich gesehen, dass ein Eichhörnchen auf einem Baum vor dem Brandenburger Tor herumtollte. Ich habe immer ein paar Nüsse dabei und habe versucht es herunterzulocken. Irgendwann hatte ich Erfolg, und aus einer Serie von mehreren Dutzend Aufnahmen ist mir dann dieses hier geglückt. Es gibt aber auch Bilder vom Tor, bei denen ich Spatzen oder Meisen auf der Hand habe – und einmal sogar einen Star - die sind relativ scheu.

Eine andere Aufnahme zeigt das Tor und exakt hinter der Quadriga die aufgehende Sonne als riesigen roten Ball. Wie bist du vorgegangen?

Zwei Mal im Jahr steht die Sonne genau in der Achse –  ein Schauspiel, das sich einmal im Frühjahr und einmal im Herbst  wiederholt. Inzwischen weiss ich praktisch auf den Tag genau, wann das sein wird und fahre hin. In diesem Fall habe ich das Bild von der Strasse des 17. Juni aus fotografiert, fast von der Siegessäule aus, mit einer 400er Brennweite, um den Raum optisch zu verdichten.

Nutz du bei derart langen Brennweiten eigentlich ein Stativ?

Nein, abgesehen von Timelapse-Aufnahmen und Langzeitbelichtungen schiesse ich eigentlich alles aus der Hand. Das ist auch problemlos möglich. Die High-ISO-Eigenschaften der Z 7 sind wirklich gut und der der Bildstabilisator arbeitet super.

Ganz allgemein gefragt: Warum taucht das Brandenburger Tor so oft in deinem Stream auf?

Für mich ist das Tor einfach gleichbedeutend mit der Mitte Berlins, es ist das Sinnbild für die Stadt schlechthin. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich das Tor früher nur aus der Ferne betrachten konnte – ich bin ja im Osten der Stadt aufgewachsen.

Dinge, die wir tagtäglich sehen, verschwinden irgendwann aus unserem Blickfeld. Wie schaffst du es einer Location, die du jeden Tag vor Augen hast, immer wieder neue Aspekte abzugewinnen?

Berlin verändert sich ja ständig, es entstehen neue Häuser, es tauchen Lichter auf, wo sonst keine waren, Strassen werden gesperrt. So entstehen neue Wege und man entdeckt neue Facetten, wenn man genau hinsieht. Manchmal kommt auch das Glück des Tüchtigen hinzu – etwa wenn über dem Brandenburger Tor plötzlich ein Regenbogen auftaucht. Einmal hatte ich auch das Glück, dass ein Podest auf dem Pariser Platz aufgebaut war, auf das ich hochsteigen und das Tor aus einem ungewohnten Blickwinkel fotografieren konnte.

Wie gehst du praktisch vor?

Ich gehe viel spazieren, auch am Wochenende, zum Beispiel zusammen mit meiner Frau. Wenn ich dann irgendwas sehe, von dem ich denke, das könnte ein Motiv sein, mache ich ein Handybild oder eine Skizze und kehre dann mit meinen Kameras irgendwann zurück. Für die meisten Bilder brauche ich dann nur noch wenige Sekunden, weil ich sie eigentlich schon vorher im Kopf habe.

Thema „frische Bilder aus der eigenen Stadt“: Hast du einen Tipp für unsere Leser?

Das finde ich schwierig, weil ja jeder seine ganz eigene Sichtweise auf die Welt hat. Mein Motto lautet deshalb: Einfach machen! Herumexperimentieren hilft auf jeden Fall dabei einen eigenen Stil zu finden. Also: Verschiedene Perspektiven einnehmen, zu verschiedenen Uhrzeiten an ein und denselben Ort zurückkehren.

Stimmungsvolle Aufnahmen lassen sich ja sowohl morgens als auch abends umsetzen. Du selbst fotografierst ganz überwiegend in den Morgenstunden. Warum?

Weil da die Stadt noch relativ leer ist. Das kommt meiner Bildsprache entgegen, hilft mir aber auch, mich schneller durch die Stadt zu bewegen. Ausserdem mag ich es zu beobachten, wie die Stadt erwacht. Und das frühe Aufstehen macht mir nichts: Ich stelle mir inzwischen nicht einmal mehr einen Wecker.

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