STORYTELLING IN DER REISEFOTOGRAFIE

Mittwoch, 08. Juni 2022

Die österreichische Fotografin und Reisebloggerin Marion Payr hat ihre Leidenschaften für das Reisen und die Fotografie zum Beruf gemacht und begeistert viele Menschen als @ladyvenom auf Instagram mit ihren stimmungsvollen Geschichten aus fernen Ländern. Bei uns erklärt sie euch anhand einer Reise auf die wunderschöne Insel Malta, welche Zutaten für eine gelungene Reisereportage wichtig sind.

Stimmungsvolle Reisegeschichten setzen eine gute Planung voraus und leben von einer persönlichen Perspektive. Wenn einzelne Bilder oder Fotoserien bei anderen Menschen etwas auslösen sollen, so müssen sie auch für euch als Fotograf:innen emotional eine Bedeutung haben. Es heisst, ein Bild sage mehr als tausend Worte. Damit auch eure Bilder eine solche Wirkung zeigen, bedarf es einiger Zutaten.

Drei Grundregeln für gutes „Storytelling“

Für eine gelungene Reisegeschichte empfehle ich euch, beim Fotografieren drei Regeln zu beachten. Als Erstes ist es wichtig, dass ihr die Betrachterin oder den Betrachter mit euren Bildern emotional berührt. Ihr müsst dabei natürlich nicht jeden erreichen. Das ist ohnehin kaum möglich, da nicht jeder dieselben Emotionen, Erinnerungen oder Interessen mitbringt. Aber irgendjemanden solltet ihr berühren. Als Zweites solltet ihr etwas Neues zeigen, das man so vielleicht noch nicht gesehen hat. Alternativ könnt ihr auch etwas Bekanntes neu interpretieren. Als Drittes sollten eure Bilder etwas zeigen, das sich einprägt und damit unvergesslich bleibt. Die Zutaten eurer Reisereportage sollten also emotional, neu(artig) und einprägsam sein!

Geschichten entdecken

Eine gute Reisegeschichte lebt von eurer persönlichen Perspektive und bewegt sich am besten jenseits der typischen Sehenswürdigkeiten. Das bedeutet, dass ihr euch im Idealfall vor der Reise überlegt, welche Geschichte ihr erzählen möchtet. Sucht nach spannenden Themen und schreibt euch ein Konzept. Stellt euch dabei die Frage, was ihr mit euren Bildern zeigen und aussagen möchtet. Ein „Italien Roadtrip“ ist zum Beispiel noch keine Reisegeschichte. Ein Roadtrip zu den letzten verbliebenen Hutmachern in Apulien dagegen schon. Es ist sehr hilfreich, wenn ihr euch auf ein bestimmtes Thema fokussiert.

Für meine Reise nach Malta habe ich zum Beispiel überlegt, welche Story ich nur dort und nirgendwo anders erzählen kann. Da ich mich persönlich sehr viel mit dem Thema „Female Empowerment“ beschäftige, wollte ich die Geschichten von besonderen Frauen erzählen, die mich inspirieren. Die Idee war es, diese Frauen in ihrer Umgebung zu porträtieren und mit meinen Bildern zu zeigen, wie sie Malta als Destination beeinflusst haben. Dieser persönliche Zugang zu einem Thema ist wichtig und spiegelt sich am Ende auch in euren Fotos wider.

Die Reisestory zum Leben erwecken

Menschen und aussergewöhnliche Plätze machen eure Geschichte lebendiger. Dafür bedarf es vorab einer guten Recherche und etwas Geschick, da man auf Menschen zugehen und sie kontaktieren muss. Als hilfreiche Anlaufstelle für Kontakte und Hintergrundinformationen empfehle ich die jeweilige nationale Tourismusbehörde. „Visit Malta“ hat mich zum Beispiel bei der Suche nach aussergewöhnlichen Frauen und ihren Geschichten unterstützt.

Wichtig an der Stelle: Falls ihr fremde Menschen fotografiert, müsst ihr euch an Regeln halten. Speziell, wenn ihr die Bilder im Nachgang auch kommerziell vermarkten möchtet. In jedem Fall wird eine Einverständniserklärung der fotografierten Personen benötigt. Falls ihr nur Streetbilder fotografiert, auf denen Menschen vielleicht einfach die Strasse überqueren, dann könnt ihr euch hier natürlich nicht jedes Mal ein Model Release unterzeichnen lassen. Da muss man sich kurz mit Gestik und Mimik ein „Okay“ einholen. So ein Foto würde ich dann aber auch nicht kommerziell verkaufen. Dazu reicht im Zweifelsfall das Einverständnis nicht. Für einen rein persönlichen Nutzen geht das aber in Ordnung.

Eine gute Recherche hilft euch darüber hinaus dabei, die Essenz eines Ortes herauszufiltern. Gibt es an eurem Reiseziel zum Beispiel historische Gegebenheiten, an die ihr anknüpfen könnt? Oder lassen sich kulturelle Unterschiede ausmachen? Häufig hilft es auch, wenn man die Architektur und die Natur des Reiseortes etwas kennenlernt. Auf meiner Reise nach Malta habe ich zum Beispiel den Unabhängigkeitstag als eine historische Komponente in meine Geschichte einfliessen lassen. Ausserdem habe ich mit Josefine eine beeindruckende Frau porträtiert, die einen Betrieb zur Salzgewinnung von ihrem Vater übernommen hat – einem der wichtigsten Exportgüter Maltas. Alle diese Elemente sind Essenzen, die Malta als Ort ausmachen. Auch Aspekte wie die Handwerkskunst, die Kulinarik oder besondere Erlebnisse können euren Reiseort zu etwas ganz Besonderem machen.

Entwickelt einen Spannungsbogen

Geschichten, und dazu gehören eben auch Reisegeschichten, leben von einem interessanten Spannungsbogen. Auf inhaltlicher Ebene gibt es dazu verschiedene Ansätze. So könnt ihr zum Beispiel eine Art Heldengeschichte erzählen, die im Aufbau einem Märchen ähnelt. Zu Beginn gibt es vielleicht ein Problem, das gelöst werden muss. Eure Heldin oder euer Held begibt sich dazu auf eine Reise, bekommt vielleicht Hilfe von anderen, muss Abenteuer bestehen oder Hindernisse überwinden und erlebt im Idealfall ein Happy End. Ein klassischer Spannungsbogen mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende. Eine andere Möglichkeit ist eine narrative Achterbahn, auf der eure Protagonisten Höhen und Tiefen durchleben. Da sich solche Geschichten nicht in einem einzigen Bild wiedergeben lassen, solltet ihr solche Reisegeschichten stets in Bilderserien anlegen.

Neben der inhaltlichen spielt auch die visuelle Ebene eine wichtige Rolle. So sollte eure Geschichte eine konsistente Bildsprache aufweisen. Ihr könnt euch in dem Zusammenhang auch überlegen, ob ihr eure Story visuell in einem speziellen Genre halten möchtet. Das kann zum Beispiel eine Geschichte in Venedig im Film-Noir-Stil sein. Auch Aufnahmen mit Low-Key-Beleuchtung, in Schwarzweiss, mit starken Kontrasten oder mit einer mystischen Stimmung sind mögliche Ansätze für Reisegeschichten, die sich visuell von der Masse abheben.

Kleiner Exkurs zum technischen Setup

Gerade für die Reisefotografie sind kompakte, spiegellose Kameras ideale Begleiter. Auf Malta hatte ich die Nikon Z 6 und die etwas schnellere grosse Schwester Nikon Z 6II mit zwei Prozessoren und einem dualen Speicherkartenslot dabei. Beide Kameras sind leicht und bieten mir trotzdem einen Vollformatsensor, damit ich ohne Qualitätseinbussen arbeiten kann. Dazu kommt im Z-System eine gute Auswahl an Objektiven. Auf meiner Malta-Reise habe ich die Z 6 mit dem NIKKOR Z 50 mm 1:1,8 S kombiniert. Mit dieser Optik und der grossen Offenblende mache ich eigentlich die meisten meiner Porträts. Manchmal gehe ich auch auf f/2,2, habe aber auf jeden Fall immer ein wunderschönes Bokeh.

An der Z 6II arbeite ich gerne mit dem NIKKOR Z 24–70 mm 1:2,8 S. Das lichtstarke Standardzoom ist mein Allrounder fürs Reisen. Es ist gleichzeitig eines meiner Lieblingsobjektive. Ich habe bei 24 mm die Möglichkeit, Landschafts- und Naturaufnahmen zu machen und kann mit bis zu 70 mm auch kleinere Details heranzoomen. Die Z-Serie passt auch deshalb perfekt zu mir, weil ich meine Reisegeschichten nicht nur mit Fotos, sondern gerne auch in Form von Videos erzähle. So kann ich an meiner Nikon Z 6II sehr schnell zwischen Fotos und 4K/60p-Videos hin und her wechseln.

Stimmungsvolle Bilder mit perfektem Licht

Bei der Reisefotografie möchte man am liebsten an jedem Ort das perfekte Licht vorfinden. Ich persönlich liebe das weiche Licht mit weichen Kontrasten zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang. Aus dem Grund lasse ich die Mittagszeit normalerweise aus, da mir die Sonne zu der Zeit ein zu hartes Licht produziert. Ich habe auf Malta aber einen neuen Trick angewendet. Zur Mittagszeit habe ich einen Diffusionsfilter benutzt. Der wirkt wie eine Art „Milchglasscheibe“ vor dem Objektiv. Dadurch wird das Licht etwas weicher, was für mich bedeutet, dass ich auch über die Mittagszeit hinweg fotografieren kann.

Neben der persönlichen Vorliebe, was die Tageszeit und das Licht betrifft, solltet ihr euch grundsätzlich überlegen, welches Licht am besten zu eurem Aufnahmeort passt. Eine Reisegeschichte über Apuliens Olivenernte benötigt zum Beispiel anderes Licht als eine Geschichte über die Dürreperiode in der Masai Mara. Während die Olivenernte zum Sonnenuntergang mit lieblichem, orangenem Licht perfekt funktionieren kann, eignet sich für die Dürreperiode eine eher dramatischere Lichtstimmung. Dementsprechend macht es Sinn, vorab auch die beste Reisesaison für eure geplante Reisegeschichte zu recherchieren. 

Mit diesen Tipps im Gepäck seid ihr für eure nächste Reise bestens vorbereitet. Ich wünsche euch viel Spass beim Fotografieren!

MEHR ÜBER MARION PAYR ...

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